Fliegenfischen auf Ischia: Nur die Sonne war Zeuge

„Die Fauna des Mittelmeers ist sehr vielfältig und artenreich.“ Steht so in Wikipedia. Ich hätte wissen sollen, dass da irgendwas nicht stimmen kann. Zu pauschal. Egal, egal, egal. Dieser eine Satz zum Thema „Mittelmeer“ ließ mich mein Gepäck spontan um eine vierteilige Reiserute erweitern. Stichwort: Freizeitupgrade. Mein Italienurlaub schien gerettet …

mayfly

Den gut zweistündigen Flug von Hamburg nach Neapel nutze ich für ausgiebige Tagträumereien: Mit meiner Rute bewaffnet stehe ich am menschleeren Strand von Ischia und schaue aufs spiegelglatte Meer. Die untergehende Sonne hüllt das Castello Aragonese in leuchtendes Rot. Ich fühle mich wie der junge Alain Delon.

Denn genau hier hat Schwerenöter Alain anno 1960 zusammen mit der damals 22-jährigen Romy Schneider den Topstreifen „Nur die Sonne war Zeuge“ gedreht und das Nass durchpflügt (vermutlich nicht nur das;). Nun bricht just an dieser Stelle ein halbstarker Thunfisch die Wasseroberfläche und reißt meterweise Schnur von meiner Rolle …

Ohrendruck oder Privatjet

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„Verehrte Reisegäste, wir werden in Kürze mit dem Landeanflug beginnen. Bitte stellen Sie ihre Sitzlehnen in senkrechte Position und legen Siedie Sicherheitsgurte an. Vielen Dank.“
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Die Durchsage der Chefstewardess kann mich nicht von meinen Träumereien ablenken. Der ekelhafte Ohrendruck schon. Ob sich Alain und Romy damals auch so einen Scheiß anhören mussten? Ach Quatsch, die sind bestimmt Privatjet geflogen. Aber Ohrendruck bleibt niemanden erspart – auch denen nicht. So.

Das Mittelmeer: eine verschissene Müllhalde!

Auf Ischia angekommen bewundere ich noch am selben Abend vom Spaggia dei Pescatori (dt. Fischerstrand) aus den Sonnenuntergang und den Blick das Castello – optisch hat sich nach mehr als einem halben Jahrhundert nach Romy und Alain offenbar nichts verändert. Auch sonst ist alles wie in meinem Traum. Fast. Irgendwas ist nämlich doch anders. Genau, wo bleibt der Thunfisch?

Nach dem achtzigtausendsten Wurf wird mir so einiges klar: Rund um das einstige Fischerparadies haust weder Barrakuda noch Thunfisch noch Goldbrasse, Sardine oder sonstwas. Wie auch? Spätestens auf der Fährüberfahrt von Neapel nach Ischia fällt jedem Kind auf, dass das Mittelmeer einer verschissenen Müllhalde gleicht. Tote Vögel, Fische und werweißwasnochso treiben im Golf von Neapel neben jeder Menge Wohlstandsdreck aller Couleur.

Im Holzpyjama

Nur gut, dass Romy schon zuzeiten in den Holzpyjama geschlüpft ist, als mit zu viel gefangenem Fisch noch Felder gedüngt wurden und die Fauna des Mittelmeers noch vielfältig und artenreich war. Scheißwikipedia. Scheißmenschen.

Diese und weitere Angel-Geschichten gibt’s im Scale Spin & Fly Fishing Magazine 

Nur die Sonne war Zeuge - Florian Zweigert - SCALE FLY SPIN FISHING MAGAZINE